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Music and the city (Vol. XI)

Wer Ohren hat, höre. Wer offen Ohren hat und über eine gehörige Portion Abenteuerlust verfügt, sollte sich morgen in die „Bäckerei“ begeben um den beiden Ausnahmemusikern Karlheinz Essl und Martin Mallaun zuzuhören. (18.05. ab 20:00)
 
Wer über reichlich rhetorische Mittel verfügt, sich über Jahre mit literarischen Motiven und mit theoretischen Ansätzen beschäftigt hat, wird sich nicht jedes Thema neu erarbeiten müssen. Wird aus einem reichen Repertoire schöpfen können, wird frei reden können und auch mal ein wenig improvisieren, wenn es darum geht, mit kulturellen Phänomenen umzugehen. Man nennt das schlicht Virtuosität im Umgang mit Material, sei es literarischer Natur oder, wie in dem Fall des morgigen Konzertes, musikalischer.
 
Die Sprache der Musik…
 
Karlheinz Essl ist jemand, der die Sprache der Musik wie kaum ein anderer in Österreich spricht, zumal auch die Sprache der sogenannten „neuen Musik“. Er hat sich in seiner Dissertation mit Webern beschäftigt, der, folgt man Roland Barthes, eine überaus große Liebe zu Fragmenten, zum Abbrechen von Stücken entwickelt hat. Diese Abbrüche, dieses brüchig werden der konventionellen Musik ist paradigmatisch für die Zäsur, die mit einer musikalischen Form einhergeht, die auf die konventionelle Liedstruktur pfeift. Damit ist ein Anfang gemacht, das Fragment widerspricht der Behauptung, dass ein Lied über eine Klimax, einen Aufbau, eine „Narration“ verfügen muss – es kann auch in der Mitte abbrechen und die musikalische Erzählung gar nicht zu Ende bringen oder diese schlicht verweigern.
 
Die "befreite" Musik…
 
Die Musik von Karlheinz Essl und die Tradition, in der seine Musik steht, gehen jedoch noch weiter. Nicht der Abbruch, das Fragment und die Verneinung der bisherigen Konventionen ist hier das oberste Ziel, sondern eben die Suspendierung des Zielgedankens per se. Diese Musik wuchert, mäandert, ist eine „befreite“ Form des Musikmachens, welche die Songstruktur, das „richtig“ oder „falsch“ in der "Semantik" eines Liedes hinter sich gelassen hat. Vergisst man erstmals diese kulturellen Prägungen, dann wird die Musik freier, man kann die Töne sein lassen, so wie sie sind. Sie sind aus ihrem Gefängnis der Konvention und der Tradition entlassen. Die musikalische Form die aus dieser Haltung folgerichtig entspringt ist die der Improvisation, des Augenblicks, des Zufalls.
 
Atmende Musik…
 
So werden die beiden musikalischen Könnern Essl und Mallaun morgen wohl auch dem Zufall und dem Moment Raum geben, die Musik atmen, sich entfalten lassen, dabei zusehen, wie sie mit und neben ihnen erst ensteht, aus dem Augenblick hervorgeht. Sie werden in den Hintergrund treten, sie werden hinter den Klängen verschwinden, in ihnen aufgehen, in ihnen untergehen, wie es auch das offene Publikum können wird. Wer Ohren hat er höre und komme morgen in die Bäckerei: der Lohn für diese Offenheit wird reichlich sein. Diese Musik ist nicht sperrig, abweisend, sondern sie lädt ein die Befreiung der Hörgewohnheiten einzuläuten.
 

www.essl.at/

www.martinmallaun.com/

www.youtube.com/watch

Markus Stegmayr

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