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FRONTEX-WATCH: Die Toten an Europas Grenzen

Ein eng beschriebenes Plakat, das mit zwei Sätzen eröffnet wird „Seit 1993 sind tausende Menschen in Folge der europäischen Grenzpolitik gestorben. Wir trauern um sie.“ Über Ereignisse, die (wenn überhaupt) oft nur eine Kurzmeldung wert sind.

 

Die Toten an Europas Grenzen
Die vorliegende Plakatserie ist der Abschluss einer 10-monatigen Auseinandersetzung mit europäischen Grenzpolitiken. Im Rahmen des von TKI-open 2012 geförderten Projekts FRONTEX-WATCH von FREIRAD 105.9 wurden zwischen Februar und November diesen Jahres, nicht nur Hintergrundinformationen über die Festung Europa, sondern auch die Dokumentation eines Widerstands, der sich transkontinental gegen das Unrecht an den europäischen Außengrenzen und innerhalb von Europa organisiert, gesendet.

 

Ein regelmäßiger Bestandteil der Sendung war die Veröffentlichung der Todesmeldungen, die seit 1993 von der niederländischen NGO united against racism aus zahlreichen Quellen zusammengetragen wurden. Von 1993 bis Juni dieses Jahres wurden 16.264 Tote gezählt. Ungewiss bleibt, wie viele Menschen tatsächlich durch die europäischen Migrations- und Grenzpolitik gestorben sind.

 

Die Plakatserie besteht insgesamt aus 57 verschiedenen Plakaten und ist im Zeitrahmen von 28. November bis 10. Dezember 2012 an über 100 verschiedenen Orten in Tirol – in Verkaufslokalen, Kirchen, Büroräumlichkeiten und Schaufenstern von Kultur- und Sozialeinrichtungen – zu sehen.

 

Die Aneinanderreihung von Todesmeldungen, die lediglich über den Zeitpunkt des Verschwindens bzw. des Auffindens der Leichname, den Ort und die Art des Todes, sowie dem Herkunftsland Auskunft geben, orientiert sich in der Form an den Vermisstenlisten der Weltkriege. Im Unterschied zu den Listen von vermissten Soldaten enthalten die Todesmeldungen von den Grenzen Europas nur selten Namen.

 

Diese Totenlisten zeigen nicht nur das unermessliche Leid an den europäischen Grenzen, die im Außen, aber auch im Innen – Flüchtlingsheime, Abschiebezentren, Gefängniszellen – verlaufen. Anhand der Todesmeldungen lassen sich Fluchtrouten, konzentrierte Grenzeinsätze oder mediale Aufmerksamkeiten in ausgewählten Grenzregionen verfolgen.

 

Die Todesmeldungen wurden in der Plakatserie mit zwei Sätzen überschrieben: „Seit 1993 sind tausende Menschen in Folge der europäischen Grenzpolitiken gestorben. Wir trauern um sie.“ Diese Sätze sind unser Kommentar zum Geschehen an den europäischen Grenzen. Wir benennen, dass es Verantwortliche für die ungezählten Toten gibt.

 

Es liegt nicht in der Verantwortung der Toten, dass sie gestorben sind, sondern ihr Sterben wurde durch ein kompliziertes Ineinanderwirken unterschiedlicher Machtinteressen und Systeme, der militärischen Überwachung der Außengrenzen, einer Verlagerung der europäischen Grenzen in den Süden und Osten und einem bürokratischen Verwaltungsapparat zur Verwahrung von Flüchtlingen und Migrant_innen im Inneren Europas herbei geführt. Das (bewaffnete militärische) Vorgehen gegen unerwünschte Migration fordert Tote.

 

Mit der Veröffentlichung der Todeslisten sprechen wir gegen das Vergessen und Verschwinden. Wir möchten dazu beitragen, Fragmente von Leben zusammenzutragen und bekunden, dass jeder Tote, jede Tote einen Verlust darstellt, nicht nur für ihre Familien, sondern für unsere Gesellschaft.

 

Mit den Ausstellungsorten, verteilt über das ganze Bundesland, bildet sich ein sichtbares Netz aus Gegner_innen der europäischen Abschottungspolitik. Es wird sichtbar, dass die Politik der Festung Europa keinen ungeteilten Zuspruch findet, sondern sich zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen gegen dieses Unrecht aussprechen.

 

Konzept und Idee: Elfi Oblasser
Ausführung und Organisation: Geli Kugler & Elfi Oblasser
unser Dank gilt den
Übersetzer_innen: Alice Chwosta, Laura Bodner, Hardy Ess, Xavis Kouam, Gundula Ludwig, Juliane Nagiller, Elfi Oblasser, Sebastian Schreiber, Tomás Gimesi, Wilfried Schennach, Melina Tölle
Korrektur-Leser_innen: Ulli Csisinko, Monika Griesser, Geli Kugler, Evelyne Nothdurfter, Elfi Oblasser, Bendedikt Sauer
Grafikerin: Karin Berner
Beraterinnen: Barbara Kastner, Geli Kugler, Cornelie Müller

 

Infos von www.freirad.at/

2 Comments

  1. ja, und am Weihnachtsabend werden die Kirchen wieder gestopft voll sein und man wird "wer klopfet an" anstimmen.  Und wer klopft an? Verfolgte, Hilfesuchende und Chancenlose – die entweder im Meer ertrinken oder wenn sie viel "Glück" haben, in irgendwelchen Lagern landen … krankes System!

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