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Diva-Drama im Zillertal: Moretti spielt keine Rolle

Nicht jedes dahergelaufene Drama verdient sich per se Aufmerksamkeit. Die Bundesregierung? Nö. Aber der Mut, ein Theaterfestival auf die Beine zustellen, ja, das verdient sich Aufmerksamkeit. Und weil sich das über-den-Tellerrand-schauen aus der Provinzhauptstadt Innsbruck in die vermeintliche Provinz – das hintere Zillertal – lohnt, wollen wir das an dieser Stelle tun:

DIVA – so nennt sich das zwar nicht erste Zillertaler Theaterfestival (7. – 9.Oktober 2011, Tux-Lanersbach), aber auf jeden Fall jenes, das sich als vermutlich einziges solches in Mitteleuropa ganz und gar den Mono-Dramen widmet. Keine Sorge, es wird nicht so sein, dass Tobias Moretti Faust, Mephistopheles, Gretchen und Pudel samt dazugehörigen Kern spielt – und doch gibt es eine Parallele zu Goethes Faust: der Berliner Regisseur Reinhard Göber , der 2010 unter anderen den Urfaust am Tiroler Landestheater inszenierte, ist Trieb von DIVA. Feder ist Julia-Rosa Stöckl, die der geneigte Ösi-Cineast aus „In 3 Tagen bist du tot“, die hochverehrte Landestheater-Abonnentin aus oben beschriebener Urfaust-Inszenierung zu kennen gewogen ist.

Mono-Dramen sind so ziemlich die größte Herausforderung, denen sich eine Schauspielerin oder ein Schauspieler stellen kann: einer der einkaufswütigen Menschenmenge ausgesetzten Kassierin eines Lebensmitteldiskonters gleich sehen auch sie sich ganz alleine ihrem Publikum ausgesetzt – nur besteht auch nicht die geringste Aussicht, dass zur Entlastung eine zweite Kasse geöffnet wird: kein konspirativer Kollege, der einem während eines Dialogs die Stichwörter liefert, kein Texthänger wird verziehen, keine Sekunde lang Rückzug oder Entspannung, in der eine andere Schauspielerin die Zuschauerblicke auf sich zieht.

Bei der heurigen ersten Auflage von DIVA kommen fünf Mono-Dramen aus fünf Nationen zur Aufführung. Der Bogen wird dabei von „klassischem“ Theater über eine Leseperformance, einem Film bis hin zu einem non-verbalen Stück, „Leaving Ziller Valley“, gespannt. Die plots, der Name des Festivals ist Programm, drehen sich um Themen, mit denen Frauen der Jetzt-Zeit konfrontiert sind, die aber auch Männer stark beschäftigen. Wer glaubt, es handle sich bei DIVA um ein Festival, das sich den inflationär gebrauchten, inhaltsschwangeren und zugleich inhaltsleeren Übertitel „Gender“ überstülpen ließe, wird sein wie immer gefärbtes Wunder erleben: DIVA will nicht nur mit einer abschließenden Diskussion herausarbeiten, wie wir uns Tag für Tag Geschlechterrollen vorspielen – auch die fünf Mono-Dramen werden für Aha-Momente sorgen.Viel, was sich die FestivalmacherInnen da vorgenommen haben – aber mit Unterstützung der örtlichen Touristiker, die offenbar erkannt haben, dass Kultur nicht der Erzfeind des Aprés-ski ist, kann man schon auch einmal ein Risiko eingehen.

Wem die Reise ins Zillertal als zu weit erscheinen sollte, sei gesagt: Ab und an soll man auch in die Ferne schweifen, denn nicht immer ist das Gute nah. Vor allem, wenn die Ferne in der Nähe liegt.

Mehr Info zu DIVA gibt es unter www.diva-tux.at

Markus Koschuh

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